Das Reservoir an Bambus ist in Asien fast unerschöpflich. Dies wird es
auch bleiben, denn die Pflanze ist dort zu wichtig und zu eng mit allen
menschlichen Bedürfnissen verbunden, als dass man leichtfertig damit
umginge. Im Norden Thailands oder in Laos ist die Vielseitigkeit von
Bambus besonders augenfällig. Nicht nur, dass fast alle Gerätschaften in
den Häusern und um die Häuser aus Bambus sind, auch die Wasserleitung,
die vom nahen Bach herführt, die Flöte, mit der man abends Musik macht,
die Wasserpfeife, Pfeil und Bogen, der Zaun, die Palisade um das Dorf
sind aus Bambusrohren gemacht. Bambus gibt Schutz vor den Stürmen des
Monsuns und vor der Kälte in den Nächten. Die Basis ihrer Häuser sind
dicke, in den Boden gerammte Bambusrohre. Darauf liegt der Fussboden aus
Bambuslatten, einen Meter oder mehr über dem Boden, um sich vor
Schlangen und Raubtieren oder den Wassermassen des Monsuns zu schützen.
Die Wände sind aus geflochtenen Bambusmatten, vor den Fensteröffnungen
hängen aufrollbare Bambusjalousien. Das Dach aus Palmen- oder
Bananenblättern liegt auf einem Bambusgerüst.

Haus in Prafrance, vollständig aus Bambus hergestellt.
(März 1996)
Doch nicht nur in ländlichen Gegenden und in den Urwäldern Asiens dient
der Bambus als Baumaterial. In Weltstädten wie Hongkong oder Singapur,
die im Eiltempo den Anschluss an das Industriezeitalter suchen und
finden, spriessen ständig gewaltige Wolkenkratzer aus dem Boden.
Modernste Maschinen werden beim Bau eingesetzt und neuzeitliche
Materialien wie Glas, Stahl und Beton. Doch wenn die Aussenwand verputzt
wird, dann wuchert als Baugerüst ein Netz von Bambusstangen,
zusammengebunden mit Bambusstreifen, an den Bauten hoch, bis zum 70.
Stockwerk. Nicht selten kann man beobachten, selbst vom Schwindel
ergriffen, dass irgendwo im 45. Stockwerk eines Wolkenkratzers um ein
Fenster herum ein kleines, anscheinend freischwebendes Bambusgerüst
entsteht, hier werden Reparaturen ausgeführt.

Die uns vertrauten Stahlgerüste gibt es natürlich auch in Asiens
Weltstädten. Doch die Bauarbeiter bevorzugen das sicherere Bambusgerüst.
Anders als Eisen und Stahl rostet Bambus im feuchten Tropenklima nicht.
Die Bambusrohre sind leichter und dennoch fester als Stahl. Jedesmal,
wenn ein Taifun über Hongkong hinweggerast ist, sieht man dasselbe Bild:
Die wenigen Stahlgerüste sind wie splitternde Zahnstocher von den Wänden
gefegt. Die Bambusgerüste hängen noch, ein bisschen verzogen zwar, an
Ort und Stelle und sind in wenigen Stunden wieder einsatzbereit.
|